Fragetechniken im Produktmanagement: Ein Überblick und ihre Einsatzfelder
- Ronny Mees

- 12. Nov.
- 3 Min. Lesezeit
Fragetechniken sind methodisch strukturierte Fragenarten, die genutzt werden, um Informationen gezielt zu erfassen, Gespräche zu lenken und Bedürfnisse zu identifizieren. Im Produktmanagement helfen sie, Anforderungen präzise zu erfassen, Stakeholder anzusprechen und Lösungen effektiv zu entwickeln.
Typische Fragetechniken:
Offene Fragen (z.B. „Wie nutzen Sie aktuell das Produkt?“) fördern ausführliche Antworten und tiefe Einblicke.
Geschlossene Fragen (z.B. „Funktioniert die App stabil?“) liefern präzise Fakten.
Reflektierende Fragen (z.B. „Habe ich richtig verstanden, dass Ihnen … wichtig ist?“) sorgen für Verständnis und Klarheit.
Zielgerichtete Fragen (z.B. „Welche Funktionen würden Ihre Arbeit erleichtern?“) lenken den Fokus auf Lösungen.
Einsatzfelder sind vielfältig: Kundengespräche, Requirements-Elicitation, Workshops, Retrospektiven und Feedbackgespräche.
Vertiefung: Fragetechniken in Innovation und Kundenperspektive
In Innovationsprozessen sind Fragetechniken besonders wertvoll, um verborgene Kundenbedürfnisse herauszuarbeiten.
Bekannte Methoden sind:
„5-Why“-Methode: Eine iterative „Warum“-Fragerunde, die Kernursachen aufdeckt.
Stakeholder-Interviews: Strukturierte Gespräche mit verschiedenen Nutzern und Experten, bspw. beim IoT-Produktdesign.
Hypothesenfragen: Prüfen Annahmen, z.B. „Glauben Sie, eine automatische Benachrichtigung verbessert Ihre Reaktionszeit?“
Wichtig ist die empathische Haltung, die neue Erkenntnisse erlaubt.

Tony Ulwicks Jobs-to-be-Done-Fragetechnik: Fokus auf Jobschritte und Zufriedenheit
Ulwicks Ansatz geht tiefer als nur das „Was“ eines Kundenwunsches. Er beleuchtet systematisch die Jobs-to-be-Done – jene Aufgaben, die der Kunde erledigen will – und betrachtet, wie gut die einzelnen Schritte darin erfüllt werden.
Kernfragen im JTBD-Interview:
Was ist der Hauptjob, den Sie erledigen wollen?(z.B. „Ich möchte die Raumtemperatur automatisch regeln, ohne ständig manuell einzugreifen.“)
Welche einzelnen Schritte gehen Sie bei diesem Job durch?(z.B. „Thermostat einstellen, Raumtemperatur prüfen, manuell anpassen, Heizkosten beobachten.“)
Wie zufrieden sind Sie mit der Ausführung dieser einzelnen Schritte?(z.B. „Das Einstellen ist kompliziert, deshalb mache ich es ungern.“)
Was hindert Sie daran, den Job perfekt zu erledigen?(z.B. „Die Software ist schwer verständlich, das kostet Zeit.“)
Welche Kriterien sind für Sie am wichtigsten, wenn Sie den Job bewerten?(z.B. Komfort, Energieersparnis, einfache Bedienbarkeit)
Gibt es unerfüllte Bedürfnisse in den einzelnen Jobschritten?(z.B. „Ich wünsche mir eine automatisierte Anpassung ohne Eingriff.“)
Beispielhafte Anwendung:
Ein Interview mit einem Nutzer smarter Thermostate zeigt, dass zwar die Grundfunktion (Heizen) erfüllt wird, aber einzelne Jobschritte wie „manuelles Nachregeln“ und „Erfolgskontrolle“ unzufriedenstellend sind. Daraus leitet das PM-Team konkrete Optimierungsideen ab, z.B. intuitivere Benutzerführung und automatisierte Feedbackmechanismen.
Kristin Zhivagos Fragetechniken: Von Kundenbedürfnissen zur Produktstrategie
Zhivago baut darauf auf und ergänzt mit Fragen, die helfen, Kundeninformationen in umsetzbare, strategische Produktentscheidungen zu übersetzen:
Welche Kundenprobleme lösen wir mit dem Produkt?
Wie priorisieren wir Anforderungen aufgrund dieser Bedürfnisse?
Welche Risiken gibt es in der Umsetzung?
Wie messen wir den Erfolg bei der Bedürfnisbefriedigung?
Diese Fragen helfen, Kundenverständnis mit Organisation und Ressourcen in Einklang zu bringen.
Ergänzung: Nutzerbeobachtung als wertvolle Ergänzung
Mit Beobachtungen lassen sich unbewusste Kundenverhalten und Kontextfaktoren erfassen, die fragentechnisch schwer zu ermitteln sind.
Beispiel: Nutzer umgehen häufig automatisierte Funktionen, weil deren Existenz unbekannt ist. Gezielte Nachfragen decken den Mangel an Sichtbarkeit auf und führen zu UX-Verbesserungen.
Fazit
Die Kombination von Ulwicks detaillierter JTBD-Fragetechnik, die einzelne Jobschritte und deren Zufriedenheit genau untersucht, mit Zhivagos strategischen Fragen führt zu einer umfassenden, validen Kundenbedürfnisermittlung. Ergänzt durch Nutzerbeobachtung ergibt sich ein ganzheitliches Bild, das Produktentwicklung zielgerichtet und erfolgversprechend gestaltet.
Literaturempfehlungen
Tony Ulwick: What Customers Want: Using Outcome-Driven Innovation to Create Breakthrough Products and Services
Kristin Zhivago: Roadmap to Revenue: How to Sell the Way Your Customers Want to Buy
Clayton Christensen et al.: Competing Against Luck: The Story of Innovation and Customer Choice
Erika Hall: Just Enough Research




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