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B2B-Preisgestaltung in der Praxis: Zwischen Kundenkritik, Vertriebseinwänden und Kostendruck

Ein Beitrag von Ronny Mees

Ein typischer Montagmorgen im Produktmanagement


Die Woche beginnt mit einer Mail des Vertriebsleiters:

„Kunde XY sagt, unser Preis ist zu hoch – der Wettbewerb bietet ähnliche Funktionen deutlich günstiger. Wir müssen da was machen.“

Noch bevor du reagieren kannst, ruft der COO an:

„Unsere Herstellkosten sind zu hoch. Können wir nicht ein paar Features streichen, die sowieso kaum genutzt werden? Das würde den Preis senken.“


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Für viele Produktmanager ist dieses Spannungsfeld Alltag: Kunden wollen mehr für weniger, der Vertrieb sucht Preiszugeständnisse, und die Geschäftsführung denkt über Kostensenkungen nach. Die Kunst liegt darin, den Wert deines Produkts klar zu positionieren, Einwände professionell zu begegnen und Preisentscheidungen faktenbasiert zu steuern.


1. Den Kontext verstehen: Features ≠ Wert


Gefahr: Wenn Preisgespräche nur auf Feature-Listen basieren, gewinnst du kurzfristig vielleicht einen Auftrag, verlierst aber langfristig Marge und Markenwert.

Praxis-Tipps:

Feature-Value-Mapping: Liste alle Features auf und ordne den konkreten Kundennutzen zu. Streiche nur, wenn die Funktion weder wertstiftend noch für strategische Differenzierung wichtig ist.

Hero Features identifizieren: Welche 2–3 Funktionen liefern den größten wahrgenommenen Mehrwert? Diese gehören ins Zentrum deiner Argumentation – nicht in die Streichliste.


2. Kundenperspektive einnehmen: Jobs-to-be-done nutzen


Einwand „zu teuer“ heißt oft: „Ich erkenne den Wert nicht.“ Die JTBD-Methodik hilft, Preisgespräche vom „Was“ (Features) zum „Warum“ (gelöster Kundenjob) zu verschieben.

Praxis-Tipps:

Vorbereitung: Halte für jeden Kundenjob eine klare „Value Story“ parat, z. B. „Unsere Lösung spart Ihnen jährlich X Stunden Ausfallzeit, was Y € entspricht.“

Alternativen sichtbar machen: Zeige auf, welche Risiken oder Kosten der Kunde trägt, wenn er auf eine günstigere Alternative umsteigt.

Preismodell anpassen: Falls der Einwand berechtigt ist, prüfe Pay-per-Use oder erfolgsabhängige Modelle statt pauschaler Rabatte.


3. Wettbewerb professionell einbeziehen


Oft argumentieren Kunden oder Vertrieb mit günstigeren Wettbewerbern – ohne die Unterschiede im Leistungsversprechen zu berücksichtigen.

Praxis-Tipps:

Wettbewerbs-Mapping: Führe regelmäßig Preis- und Leistungsbenchmarks durch. So kannst du im Gespräch gezielt aufzeigen, wo der Mehrwert liegt.

Positionierung klarmachen: Wenn du teurer bist, belege den ROI mit Zahlen, Case Studies und Garantien.

White Spots nutzen: Prüfe, ob es im Markt unbesetzte Preis-Leistungs-Positionen gibt, in die du dich bewusst setzen kannst.


4. Preiselastizität kennen und nutzen


Wer blind Preise senkt, riskiert, unnötig Marge zu verlieren. Im B2B ist Preiselastizität oft gering – vor allem, wenn:


  • das Produkt stark spezialisiert ist

  • Wechselkosten hoch sind

  • die Lösung kritisch im Kundenprozess verankert ist


Praxis-Tipps:

Testen statt raten: Simuliere Preisanpassungen in Pilotprojekten.

Kennzahlen beobachten: Achte auf Konversionsraten, Kaufentscheidungszeiten und Up-/Cross-Selling-Quoten.

Gesamtauswirkung kalkulieren: Berücksichtige Margeneffekte und potenzielle Signalwirkung im Markt.


5. Konkrete Gesprächsstrategien bei Einwänden


Einwand Mögliche Reaktion

„Der Preis ist zu hoch“ ROI-Berechnung vorlegen, Mehrwert vs. Wettbewerb klar machen, Alternativkosten aufzeigen

„Der Wettbewerb ist günstiger“ Funktions- & Service-Vergleich zeigen, Differenzierungsmerkmale betonen, Risiken des Anbieterwechsels erklären

„Wir brauchen nicht alle Features“ Nutzenanalyse der einzelnen Features präsentieren, modulare Angebote prüfen statt pauschal zu kürzen

„Können wir nicht einfach den Preis senken?“ (intern) Elastizität und Margenwirkung belegen, Alternativen wie Paketänderung oder temporäre Aktionen vorschlagen

Checkliste für Produktmanager bei Preis- und Feature-Einwänden

Vorbereitung


  • Aktuelle Wettbewerbsdaten und Value Stories griffbereit halten

  • Feature-Value-Matrix aktualisieren

  • Jobs-to-be-done pro Kundensegment dokumentieren


Im Gespräch


  • Ruhig bleiben, nicht sofort Rabatte anbieten

  • Auf Nutzen statt auf Preis fokussieren

  • Zahlen, Cases und ROI einsetzen


Nachbereitung


  • Einwandursache analysieren (Preis, Wertwahrnehmung, Timing, interne Politik)

  • Lessons Learned dokumentieren

  • Erkenntnisse ins Pricing-Framework einfließen lassen


Weiterführende Quellen

Deutschsprachig:


  • Simon, H., & Fassnacht, M. (2019). Preismanagement: Strategie – Analyse – Entscheidung – Umsetzung. Springer Gabler.

  • Litfin, T. (2017). Preisgestaltung im B2B-Marketing: Strategien, Konzepte und Methoden für die Praxis. Springer Gabler.

  • Müller, K.-M., & Tacke, G. (2017). Das große Handbuch Pricing. Frankfurter Allgemeine Buch.


International:


  • Christensen, C. et al. (2016). Competing Against Luck – Jobs-to-be-done Framework. HarperBusiness.

  • Hinterhuber, A., & Liozu, S. M. (2012). Innovation in Pricing. Routledge.

  • Nagle, T. T., Hogan, J. E., & Zale, J. (2016). The Strategy and Tactics of Pricing. Routledge.


 
 
 

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