B2B-Preisgestaltung in der Praxis: Zwischen Kundenkritik, Vertriebseinwänden und Kostendruck
- Ronny Mees

- 3. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Ein Beitrag von Ronny Mees
Ein typischer Montagmorgen im Produktmanagement
Die Woche beginnt mit einer Mail des Vertriebsleiters:
„Kunde XY sagt, unser Preis ist zu hoch – der Wettbewerb bietet ähnliche Funktionen deutlich günstiger. Wir müssen da was machen.“
Noch bevor du reagieren kannst, ruft der COO an:
„Unsere Herstellkosten sind zu hoch. Können wir nicht ein paar Features streichen, die sowieso kaum genutzt werden? Das würde den Preis senken.“

Für viele Produktmanager ist dieses Spannungsfeld Alltag: Kunden wollen mehr für weniger, der Vertrieb sucht Preiszugeständnisse, und die Geschäftsführung denkt über Kostensenkungen nach. Die Kunst liegt darin, den Wert deines Produkts klar zu positionieren, Einwände professionell zu begegnen und Preisentscheidungen faktenbasiert zu steuern.
1. Den Kontext verstehen: Features ≠ Wert
Gefahr: Wenn Preisgespräche nur auf Feature-Listen basieren, gewinnst du kurzfristig vielleicht einen Auftrag, verlierst aber langfristig Marge und Markenwert.
Praxis-Tipps:
Feature-Value-Mapping: Liste alle Features auf und ordne den konkreten Kundennutzen zu. Streiche nur, wenn die Funktion weder wertstiftend noch für strategische Differenzierung wichtig ist.
Hero Features identifizieren: Welche 2–3 Funktionen liefern den größten wahrgenommenen Mehrwert? Diese gehören ins Zentrum deiner Argumentation – nicht in die Streichliste.
2. Kundenperspektive einnehmen: Jobs-to-be-done nutzen
Einwand „zu teuer“ heißt oft: „Ich erkenne den Wert nicht.“ Die JTBD-Methodik hilft, Preisgespräche vom „Was“ (Features) zum „Warum“ (gelöster Kundenjob) zu verschieben.
Praxis-Tipps:
Vorbereitung: Halte für jeden Kundenjob eine klare „Value Story“ parat, z. B. „Unsere Lösung spart Ihnen jährlich X Stunden Ausfallzeit, was Y € entspricht.“
Alternativen sichtbar machen: Zeige auf, welche Risiken oder Kosten der Kunde trägt, wenn er auf eine günstigere Alternative umsteigt.
Preismodell anpassen: Falls der Einwand berechtigt ist, prüfe Pay-per-Use oder erfolgsabhängige Modelle statt pauschaler Rabatte.
3. Wettbewerb professionell einbeziehen
Oft argumentieren Kunden oder Vertrieb mit günstigeren Wettbewerbern – ohne die Unterschiede im Leistungsversprechen zu berücksichtigen.
Praxis-Tipps:
Wettbewerbs-Mapping: Führe regelmäßig Preis- und Leistungsbenchmarks durch. So kannst du im Gespräch gezielt aufzeigen, wo der Mehrwert liegt.
Positionierung klarmachen: Wenn du teurer bist, belege den ROI mit Zahlen, Case Studies und Garantien.
White Spots nutzen: Prüfe, ob es im Markt unbesetzte Preis-Leistungs-Positionen gibt, in die du dich bewusst setzen kannst.
4. Preiselastizität kennen und nutzen
Wer blind Preise senkt, riskiert, unnötig Marge zu verlieren. Im B2B ist Preiselastizität oft gering – vor allem, wenn:
das Produkt stark spezialisiert ist
Wechselkosten hoch sind
die Lösung kritisch im Kundenprozess verankert ist
Praxis-Tipps:
Testen statt raten: Simuliere Preisanpassungen in Pilotprojekten.
Kennzahlen beobachten: Achte auf Konversionsraten, Kaufentscheidungszeiten und Up-/Cross-Selling-Quoten.
Gesamtauswirkung kalkulieren: Berücksichtige Margeneffekte und potenzielle Signalwirkung im Markt.
5. Konkrete Gesprächsstrategien bei Einwänden
Einwand Mögliche Reaktion
„Der Preis ist zu hoch“ ROI-Berechnung vorlegen, Mehrwert vs. Wettbewerb klar machen, Alternativkosten aufzeigen
„Der Wettbewerb ist günstiger“ Funktions- & Service-Vergleich zeigen, Differenzierungsmerkmale betonen, Risiken des Anbieterwechsels erklären
„Wir brauchen nicht alle Features“ Nutzenanalyse der einzelnen Features präsentieren, modulare Angebote prüfen statt pauschal zu kürzen
„Können wir nicht einfach den Preis senken?“ (intern) Elastizität und Margenwirkung belegen, Alternativen wie Paketänderung oder temporäre Aktionen vorschlagen
Checkliste für Produktmanager bei Preis- und Feature-Einwänden
Vorbereitung
Aktuelle Wettbewerbsdaten und Value Stories griffbereit halten
Feature-Value-Matrix aktualisieren
Jobs-to-be-done pro Kundensegment dokumentieren
Im Gespräch
Ruhig bleiben, nicht sofort Rabatte anbieten
Auf Nutzen statt auf Preis fokussieren
Zahlen, Cases und ROI einsetzen
Nachbereitung
Einwandursache analysieren (Preis, Wertwahrnehmung, Timing, interne Politik)
Lessons Learned dokumentieren
Erkenntnisse ins Pricing-Framework einfließen lassen
Weiterführende Quellen
Deutschsprachig:
Simon, H., & Fassnacht, M. (2019). Preismanagement: Strategie – Analyse – Entscheidung – Umsetzung. Springer Gabler.
Litfin, T. (2017). Preisgestaltung im B2B-Marketing: Strategien, Konzepte und Methoden für die Praxis. Springer Gabler.
Müller, K.-M., & Tacke, G. (2017). Das große Handbuch Pricing. Frankfurter Allgemeine Buch.
International:
Christensen, C. et al. (2016). Competing Against Luck – Jobs-to-be-done Framework. HarperBusiness.
Hinterhuber, A., & Liozu, S. M. (2012). Innovation in Pricing. Routledge.
Nagle, T. T., Hogan, J. E., & Zale, J. (2016). The Strategy and Tactics of Pricing. Routledge.




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