Gehe nie zu Deinem Fürst, wenn Du nicht gerufen wirst?
- Ronny Mees

- 23. Sept.
- 2 Min. Lesezeit
Stakeholder-Management als Königsdisziplin im Produktmanagement
Im Mittelalter galt ein strenger Ratschlag: „Gehe nie zu Deinem Fürst, wenn Du nicht gerufen wirst.“Wer eigenmächtig vorsprach, riskierte Ungnade – wer gerufen wurde, durfte auf Anerkennung hoffen.

Doch übertragen wir diese Metapher in die Gegenwart, ins strategische Produktmanagement:Wer nur reagiert, wird übergangen. Wer proaktiv führt, gestaltet.
Warum Stakeholder-Management entscheidend ist
Produktmanagement im B2B ist weit mehr als Roadmaps, Backlogs und Feature-Listen. Es ist strategische Unternehmensführung – durch die Brille des Kunden.
Das bedeutet:
Stakeholder sind nicht bloß interne Gatekeeper, sondern entscheidende Mitgestalter.
Ohne ihr Buy-in scheitern selbst die besten Marktideen.
Gleichzeitig sind ihre Entscheidungen oft von Zwängen geprägt: kurzfristige Kostensenkung, Ressourcenschonung oder interne Politik.
Wenn das Produktmanagement hier nicht eingreift, wird die Kundenperspektive schnell vom internen Machtspiel verdrängt.
Typische Herausforderungen aus der Praxis
Der schnelle Effizienzgedanke: Ein COO spart an Material, ohne die Außenwirkung am Markt zu bedenken.
Der technologische Stolz: Ein Entwicklungsleiter will ein komplexes Feature, das am Ende niemand bezahlt.
Der Marketing-Fokus: Eine starke Story wird entworfen, aber das Produkt dahinter hält nicht stand.
Jeder dieser Fälle zeigt: Ohne strategische Moderation durch das Produktmanagement laufen Unternehmen Gefahr, am Kunden vorbei zu entscheiden.
Die Rolle und Haltung des Produktmanagers
Ein guter PM ist mehr als Projektverwalter – er ist Übersetzer, Sparringspartner und Korrektiv:
Übersetzer, der Kundenbedürfnisse in wirtschaftlich relevante Argumente überträgt.
Sparringspartner der Geschäftsführung, der strategische Entscheidungen vorbereitet und mit fundierten Daten stützt.
Korrektiv, das klar benennt, wenn kurzfristige Optimierungen langfristigen Schaden verursachen.
Das erfordert Haltung: nicht devot, sondern selbstbewusst. Nicht Bittsteller, sondern rechte Hand der Geschäftsführung.
Praktische Handlungsprinzipien
Damit Stakeholder-Management gelingt, helfen einige Leitlinien:
Stakeholder-Mapping: Macht und Interessen regelmäßig erfassen und aktualisieren.
Frühzeitig kommunizieren: Kritische Themen ansprechen, bevor Entscheidungen unumkehrbar werden.
Auf Augenhöhe sprechen: Nicht in Fachsprache, sondern in Business-Kennzahlen argumentieren: Umsatz, Risiko, Kundenzufriedenheit.
Konsequenzen klar aufzeigen: „Wenn wir Blech sparen, senken wir kurzfristig Kosten, riskieren aber langfristig höhere Reklamationsraten.“
Netzwerke pflegen: Nicht nur nach oben berichten, sondern auch Allianzen in Technik, Vertrieb und Service aufbauen.
Die „Blech“-Geschichte – wenn Schweigen teuer wird
Ein COO entscheidet eigenmächtig, dünneres Blech im Serverrack einzusetzen. Technisch funktioniert das Produkt weiterhin. Doch die Kunden empfinden es als minderwertig, die Reklamationen steigen – und plötzlich wird aus einer vermeintlichen Effizienzmaßnahme ein Reputations- und Kostenproblem.
Das Produktmanagement war nicht eingebunden – und verlor dadurch seinen entscheidenden Hebel: die Stimme des Kunden.
Dieses Beispiel macht klar: Das Schweigen des PMs kostet mehr, als das eingesparte Material je hätte bringen können.
Fazit – die Umkehr der Metapher
„Gehe nie zu Deinem Fürst, wenn Du nicht gerufen wirst?“ – im Mittelalter vielleicht überlebenswichtig.Im modernen Produktmanagement gilt das Gegenteil:
Gehe immer zu Deinen Stakeholdern – vorbereitet, klar und mit Haltung.
Sei die rechte Hand der Geschäftsführung, nicht der Bittsteller.
Wer mutig und kundenzentriert agiert, wird nicht als Störenfried gesehen, sondern als strategischer Partner.
Denn: Produktentscheidungen sind Businessentscheidungen.




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